Normen versus Mensch
Ein professionelles Qualitätsmanagement ist in einer sozialen Institution zentral. Wie aber stellen wir sicher, dass Aufwand und Nutzen einander die Waage halten? Heinz Göldi, Leiter Qualitätsmanagement von Sonnenhalde Tandem, berichtet über seinen persönlichen Zugang zu Normen und Messwerten.
Wo liegt die wirkliche Qualität verborgen? Diese Frage stelle ich mir als Verantwortlicher des Qualitätsmanagementsystems (QMS) von Sonnenhalde Tandem immer wieder. Wann und weshalb ist ein QMS sinnvoll und vor allem nutzbringend? Normen, Anweisungen, Toleranzen und Kennzahlen sind wichtig für die Qualität in unserem täglichen Arbeitsumfeld. Sie geben den Mitarbeitenden Sicherheit und einen stabilen Rahmen und helfen, die Aufgaben effektiv und effizient zu erledigen. Zudem geben sie der Institution eine Orientierung darüber, wie sie qualitativ unterwegs ist, und dienen als Nachweis gegenüber internen und externen Anspruchsgruppen.
Aber reicht das? Sehr viel wichtiger sind nach meiner Erfahrung und Überzeugung Werte wie Motivation, positives Engagement, Zufriedenheit, Können und Wollen, also sogenannte weiche Faktoren und Grundwerte. In unserem QMS steht der Mensch zentral im Fokus. Viele Prozesse und Abläufe richten sich an den Bedürfnissen unserer Klientel aus, aber auch an jenen unserer Mitarbeitenden. Da greifen Normen, Toleranzen und Messwerte viel zu kurz. Empathie, Eingehen auf sein Gegenüber, Bedürfnisse spüren sowie die (Betreuungs-)Qualität entsprechend zu garantieren, das muss auch auf einer anderen Ebene funktionieren.
Positives Engagement ist genauso wichtig wie Normen und Messwerte. Heinz Göldi, Bereichsleiter Qualitätsmanagement, und Nadine Eicher, Assistentin der Institutionsleitung.
Aufwand minimal halten
Wichtig ist hierbei auch immer der Blick auf Aufwand und Nutzen. In der Definition der Prozesse, Abläufe und Vorgehensweisen, und daraus resultierend der Ergebnisse, ist es erstrebenswert, den Aufwand minimal zu halten – so wenig wie möglich, so viel wie notwendig –, die Ergebnisse gerade bei der Betreuungsqualität aber möglichst zu optimieren. «Zeit an der Klientel schaffen» ist das vordergründige Ziel.
Hier bewegt sich ein QMS im Spannungsfeld von Normen versus Mensch, Wollen versus Müssen. Gerade die Basisqualität des Kantons St. Gallen (Norm SODK OST+) aber auch ISO 9001:2015 geben die erforderlichen Muss-Kriterien vor, die wir über das Controlling nach- und ausweisen müssen. Hier gibt es grundsätzlich wenig Spielraum. Ausserhalb dieser Normsysteme kommt bei Sonnenhalde Tandem der Nachweis der individuellen Betreuungsqualität (IBB) als Basis der Finanzierung dazu. Das erfordert vom Betreuungspersonal administrativen Aufwand für die Dokumentation ihrer täglichen Arbeit. Hier müssen wir darauf achten, dass sich der Aufwand nicht zu Ungunsten unserer Klientel und der Betreuungsqualität verschiebt. Das Gute ist: Aufwand, Umfang und Art der Dokumentation dieser Leistungen können wir selber bestimmen und sind auch hier gefordert, den Aufwand zugunsten der Ergebnisse möglichst minimal zu halten.
Qualität beginnt beim Menschen
Nach meiner Überzeugung kann und wird ein QMS, wie wir es bei Sonnenhalde Tandem anwenden, nur dann zugunsten aller involvierten Menschen optimale Ergebnisse liefern, wenn das System eben durch diese Menschen gelebt, getragen und nicht nur administriert wird. Qualität beginnt und endet immer beim Menschen – nicht bei Normen, Maschinen oder Dokumenten. Nur mit dem Menschen und seinem Willen, für alle immer das Bestmögliche zu geben, entsteht die Glaubwürdigkeit des QMS. Dann ist es sinnvoll und nutzbringend. Hier sind vor allem auch die Mitarbeitenden an der Basis immer wieder aufgefordert, Abläufe und Vorgehensweisen zu hinterfragen und zum Beispiel zu überprüfen, ob die dokumentierten Vorgaben überhaupt noch der gelebten Praxis entsprechen. Die Mitarbeitenden besitzen die Fach- und Methodenkompetenz und sollen partizipativ am stetigen Verbesserungsprozess zugunsten aller Menschen im System teilnehmen. So entsteht eine lernende Organisation, die sich stets erneuert und weiterentwickelt.
Motivation ist der Motor
Ich bin nicht nur der Leiter Qualitätsmanagement in der Sonnenhalde Tandem, sondern auch selber Vater eines Sohns mit einer schweren Beeinträchtigung. Deshalb glaube ich daran, dass Qualität automatisch entsteht, wenn alle ihre täglichen Aufgaben mit Motivation und Zufriedenheit angehen und Tätigkeiten sowie Herausforderungen positiv und aktiv im Team besprechen. Das zu fördern und über das QMS zu transportieren, ist meine Leidenschaft. Im Vergleich «Normen versus Mensch» soll immer der Mensch gewinnen.
Qualitätsmanagement bei Sonnenhalde Tandem
Sonnenhalde Tandem wird durch die Firma SQS (Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme) auf Basis der Normgrundlagen ISO 9001:2015 und SODK OST+ (Basisqualität Kanton St. Gallen) überprüft. Das geschieht jeweils alle drei Jahre mittels eines grossen Rezertifizierungsaudits, aufgrund dessen jeweils die Zertifikate und Qualitätslabels für weitere drei Jahre ausgestellt werden. In den jeweiligen Zwischenjahren wird das QMS mittels eines Aufrechterhaltungsaudits überprüft. Im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsvorsorge dient die EKAS Richtlinie 6508 als Grundlage. Der Leiter Qualitätsmanagement führt intern jährlich zusätzlich zwei Prozessaudits und ein Sicherheitsaudit durch.